Radtour auf Island, im Südosten Nähe Skaftafell, September 2013

"Wo willst Du denn hin?", fragt mich ein Mann an der Busstation. Meine Zeit wird langsam knapp, und bis Seydisfjörður im Nordosten der Insel sind es noch einige hundert Kilometer. Hier in der weiteren Umgebung um Hella gefällt es mir vergleichsweise nicht so gut. Und so entscheide ich mich, mit dem Bus bis Skaftafell zu fahren, damit ich mit etwas mehr Zeit längs der Ostfjorde radeln kann und nicht am Ende 150km-Etappen o. ä. zu bewältigen habe. Die Ostfjorde versprechen mir, der Landkarte nach zu urteilen, eine wilde bergige Landschaft direkt am Meer. Schon die Hinfahrt auf der Fähre durch den Fjord nach Seydisfjörður hatte mir grandios gut gefallen.


Also antworte ich dem Mann an der Busstation ..., "ich möchte einen Bus nach Skaftafell nehmen und dann weiter in den Osten Islands fahren." "Fahr nicht in den Osten", warnt mich der Mann, "dort wird für spätestens Sonntag ein schlimmes Unwetter erwartet. Es ist möglich, dass Dir der Rückweg abgeschnitten wird." Auf Island ist die Definition eines Unwetters eine andere als in Mitteleuropa, das ist mir schon lange klar, also frage ich vorsichtig..., "was wird am Sonntag passieren?" Der Mann gibt mir zu verstehen, dass man das nicht so genau wisse, "der Winter kommt mit Macht, die Temparaturen werden unter Null Grad sinken...". "Aber ich muss in den Osten", erkläre ich ihm, nach Seydisfjörður, von dort geht meine Fähre zurück nach Dänemark.

Das ist ok für den Mann, es geht nicht anders. "Du hast nun zwei schöne Tage vor Dir, aber dann pass gut auf Dich auf!" Der Isländer erzählt mir weiter von den wunderschönen Ostfjorden ..., schnell stellt sich heraus, dass es eine seiner liebsten Gegenden auf Island ist. Und so freue ich mich schon auf den Wilden Osten.
Schnell ist mein Rad im Bus verstaut und schon geht es weiter. Alle bekannteren Wasserfälle rauschen links an uns vorbei, was ich allerdings nicht so tragisch finde. Aus dem fahrenden Bus heraus erscheint mir die Landschaft im Vergleich zum Hochland eher lieblich, und ausserdem regnet es zuweilen ganz fürchterlich.

In Vik müssen wir in eine neue Linie umsteigen. Diesmal muss ich mein Rad hinten am Bus an einen speziellen Träger befestigen. Ob er eventuell noch mal kontrollieren möchte, dass ich das Rad auch richtig befestigt habe, frage ich den Busfahrer? "Ach wird schon", meint der, und bleibt bequem auf seinem Fahrersitz im Bus sitzen. Ok, es ist mein Rad, also kontrolliere ich die ganze Geschichte noch einmal. Ja, wird wohl gut sein, und ich denke, dass wir hier und heute mit dem Bus keine Geschwindigkeitsrekorde brechen werden ...

Ab Vik gefällt mir die Landschaft deutlich besser. Ausserdem kommt immer wieder die Sonne zwischen den dunklen Wolken hindurch. Eine Wahnsinnslandschaft, und nun ist es furchtbar, furchtbar... grauslich im Bus zu sitzen. Aber dann kommen wir am Nachmittag in Skaftafell an. Das Wetter hat sich so einigermaßen berappelt, nur windig ist es weiterhin wie bekloppt. Ich organisiere mir einen Apfel im Touristengebäude, eine königliche Abwechslung des Speiseplans! Dann sehe ich mir noch kurz ein Video über einen Vulkanausbruch unter dem Vatnajökul an. Ja, absolut irre, eine wahnsinnige Naturgewalt! Heute besser kein Vulkanausbruch, hoffe ich.

Als ich mein Gepäck am Rad verstaut, und mich selbst ein wenig radfahrermäßig zurecht gemacht bzw. gekleidet habe, taucht ein anderer Radfahrer auf. Der erste auf dieser Tour. "Wo kommst Du denn her?", frage ich ihn. "Aus Brasilien, das ist meine erste Europatour". Aha, Brasilien - Island, das dürfte ein erheblicher Kontrast sein.
Wir sprechen über den Sturm. Auf den Campingplätzen an der Küste hat es viele Zelte zerstört, berichtet mir der brasilianische Radfahrer. Seit vier Tagen kann er nicht mehr zelten, keine Chance gegen den Wind. Er muss nun nach Reykjavik. Drei Wochen lang ist er von dort startend im Uhrzeigersinn um die Insel gefahren. Aber nun muss auch er den Bus nehmen. Der stürmische Wind kommt aus Südwesten, genau aus Reykjavik. Unmöglich diese Strecke dorthin gegen diesen Wind in zwei Tagen zu schaffen ...

Es ist noch halbwegs früh am Nachmittag, als ich von Skaftafell losfahre. Den Wind habe ich nun im Rücken und entsprechend flott geht´s vorwärts. Oder sagen wir besser so ..., es ginge geschwind vorwärts, wenn ich nicht immer wieder anhalten müsste. Die Landschaft ist phänomenal cool, fantastisch ..., ja, so habe ich mir das vorgestellt. Erst ist es finster, dann wieder sonniger, stürmisch ohnehin ..., kerniges Wetter, eigentlich ganz so wie ich es mag. Und immer wieder brausende Gletscherflüsse, die von den nahen Gletscherzungen heran gerauscht kommen. Würde jetzt ein Vulkan unter dem Gletscher ausbrechen, machte es zuuuuusch ... und weg wäre ich. Macht aber nicht zuuuuusch ... heute habe ich Glück, ähhhm ... bestimmt!

Ein paar Bedenken vor dem Unwetter ab Sonntag schwingen mit, aber im Großen und Ganzen bin ich bester Laune ... auf in den Wilden Osten ... ;-)

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